Mike
Estelmann
Vor einiger Zeit wurde in einem bekannten Internet-Sammlerforum,
das sich den deutschen Auszeichnungen bis in die Neuzeit
widmet, eine interessante Rettungsmedaille vorgestellt, die
es aufgrund ihrer Seltenheit verdient, hier näher
beschrieben zu werden.
Die preußischen
Medaillen für die Rettung von Menschenleben sind in
verschiedenen Aufsätzen bereits ausführlich besprochen
worden, darum soll hier nur eine kurze Einführung gefunden
werden, bevor eine Annäherung an das zu beschreibende
Exemplar erfolgt.
Seit 1833
wurde in Preußen das Einsetzen des eigenen Lebens, zur
Rettung in Gefahr geratener Mitmenschen, durch die Vergabe
von zwei Medaillen honoriert. Wenn der Einsatz mit
erheblicher Gefahr für das persönliche Leben verbunden
war, wurde der Hilfeleistende mit einer ca. 50 mm großen
nichttragbaren Erinnerungsmedaille im Etui bedacht. Eine
Rettungsaktion, die eine ganz besonders erhebliche Gefahr für
das Leben und die Gesundheit des Retters bedeutete, wurde
durch die Vergabe einer ca. 25 mm großen tragbaren
Rettungsmedaille sichtbar geehrt. Selbst der tragbare Orden
und Ehrenzeichen ablehnende Staat der Weimarer Republik
widmete diesem achtbaren Handlungsmotiv entsprechende
Dekorationen. Im Jahre 1925 erfolgten zwei Ausprägungen auf
die im weiteren eingegangen wird. Bei dem hier
vorzustellenden Ehrenzeichen handelt es sich um die erste
Ausführung, eine tragbaren Rettungsmedaille am Bande, der
Republik Preußen, ohne Umschrift.
Fachliteratur,
die zu dieser ersten Prägung Auskunft geben könnte, ist so
gut wie nicht vorhanden. Jörg Nimmergut gibt in seinem Übersichtswerk
(2) an, dass dieses Modell, entworfen von der Berliner
Bildhauerin und Grafikerin Renée Sintenis nicht die
notwendige Zustimmung fand und verworfen wurde. Weiterhin
ist dort zu lesen, dass zu diesem Zeitpunkt bereits 1000 Stück
hergestellt waren, die, bis auf vier Stück, an den
Hersteller, die Preußische Staatsmünze Berlin, zurückgeliefert
und im März 1926 eingeschmolzen wurden. Als Quelle für
diese Informationen wird eine Publikationen von K.-G.
Klietmann angegeben. Andere Autoren folgen in verschiedenen
heutigen Veröffentlichungen diesen Ausführungen im
wesentlichen ohne sich jedoch auf die genaue Zahl der
erhaltenen Stücke und ihre Quellen festzulegen. Ebenso sind
bei Hessenthal / Schreiber (3) ähnliche Angaben zu finden.
Ob nun tatsächlich eine kleine Anzahl dieser ersten
Anfertigung aufbewahrt wurde, darf als ungeklärt bezeichnet
werden.
Bevor nun
eine Bestimmung zur Einordnung des vorliegenden
Ehrenzeichens folgt, soll dieses kurz mit seinen technischen
Daten beschrieben werden.
Es handelt
sich um eine geprägte Medaille mit einem Durchmesser von
25,9 mm. Der umlaufende Randstab hat sich, möglicherweise
durch das separate Auflöten der Ringöse, etwas deformiert.
Der Bandring erscheint eher grob und besteht aus einem
billigen Weißmetall. Wie auf der Abb. 1 erkennbar, handelt
es sich mit Sicherheit um eine Fertigung aus Buntmetall. Das
Gewicht beträgt 8,7 Gramm.
Abb.
1 Vorderseite der Rettungsmedaille von 1925 ohne
Umschrift. Die erhöhten Stellen, insbesondere der
Brustbereich des Adlers, weisen deutliche Abriebspuren auf.
Bei dem durchscheinenden Material handelt es sich
offensichtlich um eine Buntmetalllegierung.
Abb.
2 Rückseite der Rettungsmedaille von 1925 ohne
Umschrift
Zur
Beurteilung der Medaille ist es wichtig folgende
Feststellungen zu berücksichtigen. Zum einen bestehen alle
probemäßigen Rettungsmedaillen grundsätzlich aus Silber.
Darüber hinaus weist das vorliegende Stück eine
Stempelverschiedenheit der Rückseite auf. Nach Lothar Tewes
(1) wurden im Oktober 1907 vom Medailleur Otto Schultz neue
Stempel für die preußische Rettungsmedaille geschnitten,
deren Rückseitenstempel auch 1925 für die Herstellung der
Rettungsmedaille der Republik Preußen in Anwendung kam. Der
Unterschied ist leicht durch den Vergleich der Abbildungen 2
und 3 zu erkennen.
Abb.
3 Rückseite der Rettungsmedaille von 1925 mit
Umschrift „Republik Preussen“.
An dieser
Stelle kann nun eine erste klare Ableitung zu der
vorliegenden Dekoration gefunden werden. Aufgrund der
festgestellten Materialabweichung und der differenten Rückseite
kann mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass es sich
nicht um eine erhaltene Ausführung der ersten Form handeln
kann. Aber welche Relevanz hat das vorliegende Stück dann?
Eine intensive Literaturrecherche brachte eine plausible
Erklärung. Im Angebotskatalog der Firma Wilhelm Deumer, Lüdenscheid
i. Westf., Metallwaren, Präge- und Emaillier-Anstalt, vom
02.11.1939 werden neben den Abzeichen des 3.Reiches auch
Auszeichnungen aus der Ära vergangener Monarchien und der
Epoche zwischen 1918 und 1933 angeboten. Das Angebot an
Rettungsmedaillen wird dort durch zwei verschiedene
Exemplare vertreten (vgl. Abb. 4 und 5), zum einen die zu
diesem Zeitpunkt offiziell verausgabte Version, gestiftet
1933 durch den Reichspräsidenten und zum anderen die Ausführung
der Weimarer Republik in der ersten nicht angenommenen Form.
Abb.
4 Auszug aus dem Angebotskatalog der Firma Deumer, Modell
des 3.Reiches, gestiftet 1933.
Abb.
5 Auszug aus dem
Angebotskatalog der Firma Deumer, Modell der Weimarer
Republik, 1925 ohne Umschrift.
Zwangsläufig
stellt sich nun die Frage, warum ein Fabrikant von Orden und
Ehrenzeichen diese Variante in sein Angebot aufnahm um den
offensichtlichen Bedarf seiner Kundschaft zu befriedigen.
Man sollte davon ausgehen, dass einem Hersteller der Status
dieses Ehrenzeichen durchaus geläufig war. Ein Versehen
kann also mit einiger Sicherheit ausgeschlossen werden. Die
Antwort ist wahrscheinlich in den innenpolitischen und
gesellschaftlichen Zusammenhängen der Zeit zu finden. Die während
der Weimarer Zeit verausgabte Medaille (vgl. Abb. 3 und 6),
enthält in der Umschrift das Wort REPUBLIK und genau
hier kann die Erklärung liegen. Es muss wohl mit Sicherheit
davon ausgegangen werden, dass diese Vokabel den Wortschatz
der Nationalsozialisten nicht weiter bereichern sollte und
es erscheint nahezu unmöglich, dass eine Medaille angeboten
wurde, die dieses Wort exemplarisch zur Schau trägt.
Weiterhin kann auch die Erinnerung an das alte Preußen,
ganz generell, als nicht an den Zeitgeist
angepasst eingeschätzt werden. Bekanntlich sollte
das großdeutsche Gedankengut mit allen Mitteln gefördert
werden.
Abb.
6 Vorderseite einer probemäßigen Rettungsmedaille von 1925
mit Umschrift „Republik Preussen“.
Abschließend
kann nun folgende Zusammenfassung gefunden werden:
Bei der
besprochenen Rettungsmedaille am Bande, ohne
Umschrift, handelt es sich nicht um ein Stück aus der
ersten Anfertigungsserie der Preußischen Staatsmünze zu
Berlin. Die Medaille darf jedoch, nach der erklärten
Begriffsdefinition der ÖGO und des BDOS, als sammelwürdiges
Zweitstück eingestuft werden, angefertigt für Beliehene
aus abweichendem Material und in leicht divergenter Form.
Das vorliegende Stück vermittelt einen getragenen Eindruck
und darf durchaus als selten kategorisiert werden kann.
Anmerkung:
Bedanken möchte ich mich bei Herrn Lothar Tewes für die beratende
Unterstützung sowie bei der Firma Sammler-Cabinett, Jörg
Kalies, Hamburg, für die Leihgabe eines probemäßigen
Exemplars der angenommenen Rettungsmedaille von 1925.
Quellen:
1.
Tewes, Lothar, Die preußischen Rettungs- und
Erinnerungsmedaillen von 1833 – 1918. In Numismatisches
Heft 2, Beiträge zur brandenburgisch/preußischen
Numismatik, Berlin 1995.
2.
Nimmergut, Jörg, Deutsche Orden und Ehrenzeichen bis 1945,
München, 1997.
3.
Hessenthal, W. v. / Schreiber, G., Die tragbaren
Ehrenzeichen des Deutschen Reiches, Berlin 1940.
4.
Angebotskatalog der Firma Wilhelm Deumer, Lüdenscheid i.
Westf., KG, Metallwaren-Fabrik, Präge- und
Emaillier-Anstalt, Ausgabe Nov.1939.