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Anpassung
 

In unbestimmten Zeiten ist es schwierig seinen Prinzipien treu zu bleiben.

   

Hansgeorg Lopatta wurde am 18. April 1910 in Ober-Radoschau Kreis Rybnik , Deutschland, geboren und mußte sich diesem Problem sehr bald stellen.

   

Seine Eltern lebten ihr ganzes Leben in dieser geographischen Region und durchliefen dort schwierigste politische und ethnische Wechsel, die in Ihren Alltag empfindlichst eingriffen. Mit den enormen Kohlevorkommen kann man diesen Landstrich durchaus als das östliche Ruhrgebiet bezeichnen. Die Stadt Rybnick und ihr Kreis kann man als urdeutsch bezeichnen, so es doch unter preussischen Einfluss von 1740 bis 1922 befand. Erst nach dem verlohrenen 1.Weltkrieg wurde dieser Landstrich nach den sogenannten Schlesichen Aufständen per Wahl Polen zugeordnet. Dies sollte sein Schicksal für die nächsten 17 Jahre ändern.

    

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Publiziert unter  http://www.davidrumsey.com/

    

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Mein Großvater im Mai 1944 als Oberleutnant

Das Leben in dem Grenzgebiet zwischen Polen und Deutschland wurde sicherlich durch die extrem verschiedenen ethnischen Gebräuche und Sprachen erschwert. Man kann nur vermuten wie schwierig es für Hansgeorg gewesen sein muss sich den neuen polnischen Gepflogenheiten und Gesetzen anzupassen, so er doch in Deutschland herangewachsen war. Man sollte annehmen, dass es viel einfacher gewesen wäre einfach über die Grenze zurück nach Deutschland zu ziehen anstelle als Deutscher in Polen zu leben. Man stelle sich vor in diesen Zustand nach wenigen Jahren den Ausbruch des 2.Weltkrieges zu erleben, um dann wieder besiegt zu werden - diesmal mit der Konsequenz sogar aus seinem Land vertrieben zu werden. Es passierte tatsächlich und Hansgeorg mußte seine frühere Anpassung wieder rückgängig machen.

   

Der Denazifizierungsprozess.

   

Aus dieser Zeit sind uns Schriftstücke erhalten geblieben, die seinen Werdegang im Detail beschrieben und uns Einblick in seinen Versuch sich den Gerichten in Westdeutschland zu erklären geben.

   

Frisch verurteilt war er in die Kategorie 4 eingestuft: "Hat die Nazionalsozialistische Bewegung unterstützt." 

 

Wie kam es dazu?

    

Fast erwachsen startete Hansgeorg ein Hochbaustudium im 3.Quartal 1931 in Deutschland, hatte jedoch durch sein Heranwachsen im polnischen Oberschlesien enorme Schwierigkeiten sich anzupassen. Um sich in die deutsche Studentengemeinschaft zu integrieren trat er 1933 in die NSDAP ein. Man darf hier nicht vergessen, daß seine Eltern immer noch in Polen lebten und die polnische Stattsbürgerschaft hatten.

   

    

Das schien für eine volle Anerkennung bei seinen Kollegen noch nicht gereicht zu haben. Immer noch Verdächtig tratt er im November 1933 der SS bei.

   

   

Mein Großvater muss ausserdem dem NSD-Studentenbunde vor dem 30. Januar 1933 beigetretten sein, da er sichtbar auf mehreren Photographien das silberne Ehrenzeichen dieser Vereinigung trägt. Der Eintritt in diese Organisation war ein weiterer Schritt sich der neuen Ordnung anzupassen und den Ungerechtigkeiten die aus seiner Herkunft und der Staatsbürgerschaft seiner Eltern resultierten zu entkommen. Hansgeorg Lopatta trat ausserdem im März 1935 der Armeereserve, den Pionieren, bei, um die sichtbare Unterstützung seines Landes, Deutschland, zu verstärken.

  

silberne ehrennadel NSD studentenbund

Silbernes Ehrenzeichen des NSDStBundes

    

Mit der Beförderung zum Feldwebel d.Res im Sommer 1938 erhielt er endlich auch den Rank eines Unterscharführer der Allgemeinen SS (Equivalent zu einem Rank eines Unteroffiziers in der Armee).

Der Grund diese Promotion so lange herauszuzögern lag darin, daß er sich weigerte seinen polnischen Nachnamen, Lopatta, abzulegen.

   

  

Er schreibt weiterhin wie folgt: "Am 9.November 1938 abends gegen 9 Uhr kam ein SS Kommando aus Gross-Strehlitz O/S nach Bischofstal (meinem Wohnsitz) und forderte mich auf die Synagoge abzubrennen. Ich weigerte mich und schickte das Kommando zurück. (Zeuge dafür vorhanden, auch daß ich mich an den Ausschreitungen nicht beteiligte.)

  

  

Am 8. Oktober 1939 beendet er seine Mitgliedschaft in der SS, da man Ihm seitens der SS nicht erlaubte seine Verlobte, Charlotte, kirchlich zu heiraten.

   

  

Die letzten Eintragungen in seinem Bericht sind sicherlich als untypisch für die Zeit zu sehen. Verweigerung und Querulantentum waren gefährlich in dieser Zeit und konnten extreme Konsequenzen nach sich ziehen. Hansgeorg hatte sicherlich Gewissenskonflikte als Deutschland gegen Polen in den Krieg zog - gegen seine ehemalige Heimat, Wohnsitz seiner Eltern.

  

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Großvater mit seinen Kameraden

   

Nach langen Kriegsjahren kam er endlich am 23. Februar 1944 mit einer schweren Lungenentzündung, die aus einem Lungendurchschuss resultierte, in die Heimat zurück. Er wurde in das Lungensanatoriun in Brantiz O/S nahe Ratibor eingewiesen ((Branice) Leobschütz County).

  

  

Großvater und Großmutter in Brantiz

   

Obwohl der Krieg zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorbei war entwickelte sich eine neue Geschichte. Der folgende Brief aus der Nachkriegszeit gibt erste Hinweise:

 

 

     EPSOM 3000                               Belfied,

                                                          7, Lynwood Road

                                                                   Epsom.

                                                                         Surrey

                                                                 England.

                                                                       14.2.49

 

      Dear Col. Gallagher,

 

           You will be surprised to have a letter from me after all this time & I have never yet written to thank you for all your help & kindness in the case of Marianne Wilke! However, I am sure you have seen her since & know how very grateful she was for all you did for her and for my part I know my efforts at this and then, would have been vain without you!

 

Should Herr Lopatta bring this letter to you as an introduction from me I will be most grateful if you can advise him. Personally, I don't think there is much that can be done for him, however you will know best. His sister in law & her family sheltered & hid seven of our airmen in the basement of  their home in Rybnik in Poland in March 1945 (I think from memory) this I substantiated as correct by writing personally to the men. Herr Lopatta is very anxious to get his Denazification through & hopes this may weigh in his favor for the sake of his family. Unfortunately it is quite beyond me to do anything -  if I could even, from here. But I will be very glad if you can advise him. I have seen Dorothy Turnbull several times lately. Very best wishes & kindest regards, from Winefred Noyes

  

Die Erwähung der britischen Luftwaffenmänner ist sicherlich eine andere Geschichte, jedoch mit der meines Grossvaters verbunden. Sein Neffe, Peter, beobachtete einen Gefangenenmarsch der an dem Anwesen meiner Ur-Grosseltern vorbeizog. Russen, Engländer und US-Soldaten wurden in der Endphase des III.Reiches nach Westen verlagert. Er erinnert sich an britische Soldaten im Garten des Hauses, die sich vom Gefangenentreck gelöst hatten. Sein Mutter hatte Mitleid und versteckte sie im Keller des Hauses.

 

Am nächsten Tag  kam ein deutscher Soldat mit 3 weiteren britischen Soldaten am Haus vorbei und lies diese einfach stehen. Einer der Briten lag im Sterben, da er eine infizierte Operationswunde hatte. Auch sie wurden aufgenommen. Dank der Schwägerin meines Großvaters, die zu dem Zeitpunkt Medizin studierte und sich der Pflege des Verwundeten annahm, überlebte er. 

 

Insgesamt sieben britische Soldaten wurden so bis März 1945 im großväterlichen Hause in Rybnick versteckt gehalten.

 

Nach den Aufzeichnungen meines Großvaters handlete es sich um die folgenden Soldaten:

  • James Anderson

  • Robert Yay

  • Laurence G. Coal

  • Hugh Marley

  • Robert Hughes (wohl der Verwundete, Notiz:"Appendix 24.1.-3.3.1945)

  • Leslie Edmonds

  • Norman Scarborough

 

Einer der sieben Soldaten gab meinem Großonkel Peter als Dank sein Mützenabzeichen:

  

  

Letztendlich war der Krieg vorbei und die ostdeutschen Gebiete waren unter sowietischer Herrschaft. Die Heimat meiner Familie war Teil des neuen polnischen Staates.

 

Was passierte aber mit denen, die dort als Deutsche gelebt hatten?

 

Sie wurden vertrieben und leben m Falle meiner Familie in den nächsten Jahren wie folgt:

  1. Branitz - 21 Januar bis 23. März 1945

  2. "Sudentenland", Märisch-Schönberg; Würbental - 23. März bis Juni 1945

  3. Polnisch Schlesien, Gleiwitz; Habelschwert, Juni 1945 23. März 1946

 

April 1946, endlich, erhielten sie die Ausreisepapiere nach Deutschland, Westdeutschland, und lebten dort über Monate in einem Flüchtlingsauffanglager. Lamme 10, bei Braunschweig wurde bis Dezember 1949 Ihr Zuhause. Sie wurden dort in der Tat wie Flüchtlinge nicht wie ebenbürtige Deutsche behandelt. Sicherlich waren Lebensmittel und andere Güter des täglichen Gebrauches rar, so daß die zugereisten, fremden Ostdeutschen mit argwohn behandelt wurden.

  

Als der Alltag im westdeutschen Teil wieder einkehrte mußte man sich durch den sogenannten Entnazifizierungsprozess arbeiten, um nachzuweisen, dass man mit den Nazis nichts zu tun hatte. Als Mitglied, wenn auch nur zeitweise, der SS und der Partei war das kein einfaches Unterfangen. Nicht genug, das sie Flüchtlinge waren, aber der komische Akzent verrieht sie als Oberschlesier, so daß sie sich sich schon wieder in eine neue Umgebung ein- und anpassen mußten.

  

Das Entnazifizierungsverfahren führte in erster Instanz nicht zum gewünschten Ergebnis. Er war sogleich in die Kategorie IV eingestuft worden: Unterstützer. Mein Großvater war also gezwungen, Einspruch einzulegen, um seine Weste wieder reinzuwaschen. Glûcklicherweise sind in Zuge dieses Einspruches seine Dokumente erhalten geblieben, die es uns heute ermöglichen die Geschichte hier zu präsentieren. Neben seiner Zeugenaussage sind Schriftstücke von weiteren Zeitzeugen erhalten geblieben, die seinen makellosen Charakter beleuchten. Es sind hier unter anderen Adlige, wie die Baronin Luise von Belling, geb. von Roth, der Staatssekretär der CDU in Braunschweig, Herr Carl Schönfeld, ehemalige Arbeitskollegen aber auch die Angestellten aus dem Baugeschäft seines Schwiegervaters, zu nennen.

  

All dies schien dem neuen Rechtssystems genüge getan zu haben. Es reichte jedoch nicht, ihm einen Platz in der neugegründeten westdeutschen Bundeswehr zu sichern. Selbige hätte eine gute Karriere für ihn bedeutet, so er doch während des Krieges als Pionier gedient hatte und somit am Aufbau der Bundesrepublik Deutschland einen entscheidenen Beitrag hätte leisten können. So kann man in seinem Antrag lesen, daß er während des Krieges diverse Bunker am Antlantik sowie am Mittelmeer gebaut hatte, sowie eine 1800 m lange Panzerbefestigung in Marseille.

  

Leider verhinderten seine Versuche vor und während der Zeit des III.Reiches sich in die Gesellschaft einzupassen, eine volle Integration und Einstellung in die neu gegründete Bundeswehr. Es gelang ihm dennoch eine Anstellung in der Wasser- und Schifffahrtsdirektion zu fnden, wo er den ersten Atombunker in seiner neuen Heimatstadt, Münster in Westfalen, baute.

  

Seinem Antrag auf Anstellung in den Wehrdienst verdanken wir den Erhalt seiner Karrieredaten in der Wehrmacht:

 

  

  

  

So muss man hier wieder sagen: "Es ist nicht einfach seinen Prinzipien in unbestimmten Zeiten treu zu bleiben."

  

Mein Grossvater Hansgeorg Lopatta verstarb am 27. März 1971, und ist hoffentlich an einem Ort in dem Anpassung nicht mehr notwendig ist. 

Er war ein guter Mensch.

 
© A. Schulze Ising, I/10
 
 
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